Halbwertzeit
Die Halbwertzeit der Erinnerung ist offenbar bedeutend kürzer als die von atomaren Brennstoffen. Zu dieser Einschätzung muss man/frau jedenfalls kommen, wenn man/frau die derzeitige Diskussion um den Atomausstieg verfolgt. Die Atomlobby hat die Ereignisse der letzten Tage zum Anlass genommen, die schon beschlossenen Ausstiegszeiträume aus der Atomenergie neu aufrollen zu wollen. Wirtschaftminister Glos von der CSU hat sich diesmal als erster zu diesem Thema geäußert. In Anbetracht des Erdgas-Streites zwischen Russland und der Ukraine zeige sich, so die Lobbyisten, dass die BRD eine größere Unabhängigkeit von den ausländischen Energielieferanten benötige. Deutschland dürfe nicht erpressbar sein. Auch werde noch mehr Zeit benötigt, um alternative Energiekonzepte entwickeln zu können. Daher wäre zu bedenken, ob der unter Rot-Grüner Regierung beschlossene Ausstiegskonsens noch aufrecht erhalten werden könne. Gefordert wird von der Atomlobby die Laufzeiten der Atomkraftwerke um weitere 15-20Jahre auszudehnen. Laut bestehender Vereinbarung zwischen der Atomindustrie und der alten Bundesregierung soll das Atomkraftwerk Neckarwestheim II als letztes Kraftwerk 2021 abgeschaltet werden. Roland Koch (Hessischer Ministerpräsident, CDU) tritt sogar für den Bau weiterer Atomkraftwerke ein.
Völlig in Vergessenheit scheinen die Ergeignisse des April 1986 geraten zu sein. Am 26.April 1986 kam es im Block 4 des Atomkraftwerkes Tschernobyl zu einer folgenreichen Kernschmelze und einer Explosion. Radioaktives Material wurde weit in die Atmosphäre geschleudert. In den darauf folgenden Tagen und Wochen zog eine radioaktive Wolke über weite Teile Europas. Im Polarkreis, Nordamerika und Japan konnten erhöte Werte gemessen werden. Durch die Explosion und den radioaktiven Fallout wurden insbesondere die Nuklide Iod-131 und Cäsium-137, aber auch Strontium-90 und Plutonium-239 (all dies sind Zerfallsprodukte des Uran-235), in die Umwelt gebracht und weit verbreitet.
Als Folge mussten viele landwirtschaftliche Produkte vernichtet werden. Freilandgemüse wurde untergepflügt, Wild und Waldpilze konnten nicht mehr verzehrt werden und in der Milch konzentrierten sich die Rückstände, die die Kühe mit dem Gras aufgenommen hatten.
Es wurde damals auch in der BRD darüber diskutiert, ob Mütter ihre Kinder weiterhin bedenkenlos stillen könnten. In besonders belasteten Gebieten der BRD wurde die Kuhmilch zu Molkepulver verarbeitet. Noch Jahre später wurden Entsorgungsmöglichkeiten für dieses Molkepulver gesucht und diskutiert.
Viele Menschen empfanden diese Zeit als sehr belastend und waren verunsichert. Mit keinem der menschlichen Sinne konnte man/frau feststellen, ob die Umgebung verseucht war oder nicht. Es gab keine sichtbaren und fühlbaren Anhaltspunkte, welche Lebensmittel noch zu genießen waren oder welche besonders stark verstrahlt waren. Die Welt sah ja so normal aus wie an den Tagen davor und danach. Nur durch die Nachrichten erfuhr man/frau von dem "schleichenden Tod". Aber auch die Nachrichten, insbesondere die Aussagen der Politiker/innen widersprachen sich immer wieder. Die einzelnen Bundesländer gaben teils sich widersprechende Empfehlungen heraus, wie mit den Folgen umzugehen sei. Ganze Lebensbereiche wurden von einem auf den anderen Tag mit anderen Augen gesehen. So wurden u.a. in einigen hessischen Gemeinden die Kinderspielplätze, Sport- und Freizeitanlagen gesperrt um sicher zu gehen, dass die Freiflächen nicht zu stark kontaminiert waren.
Noch heute sind große Landstriche in der Ukraine, Belarus und Russland unbewohnbare Sperrbezirke. 18000 qkm der landwirtschaftlichen Fläche Weissrusslands sind radioaktiv belastet und weitere 2640 qkm können gar nicht mehr bewirtschaftet werden. In weiteren Gebieten muss durch ständige Messungen kontrolliert werden, wie stark die dort angebauten Lebensmittel belastet sind. Z.B. wurden in der Ukraine im Jahr 2000 mehr als einer Million Nahrungsmittelproben untersucht. Dies wird auch noch sehr lange so weitergehen müssen. Beträgt die Halbwertzeit, also die Zeit in der ein radioaktives Teilchen statistisch gesehen die Häfte seiner anfänglichen Strahlung abgegeben haben wird, von Cäsium-137 30 Jahre und von Strontium 29 Jahre. In weiteren 30 Jahren wird dann Cäsium-137 wiederum die Häfte seiner Strahlung abgegeben haben.
Wie sich gezeigt hat, leidet besonderes die arme Landbevölkerung dieser Gebiete unter den Folgen. Sie sind oft wegen fehlender alternativer Einnahmequellen auf den Verzehr der selbst erzeugten und hoch belasteten Lebensmittel angewiesen.
Von der westeuropäischen Atomindustrie wurde damals immer wieder betont, dass ein solcher atomarer GAU (größter anzunehmender Unfall) auf bauartbedingte Mängel zurückzuführen wäre. In den westlichen Leichtwassserreaktoren könne ein solcher Unfall nicht stattfinden. Dieses Argument ist zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, aber auch die westeuropäischen Atomkraftwerke können auf eine sehr lange Liste von Störfällen zurückblicken. In dem nordamerikanischen Atomkraftwerk Three Miles Island bei Harrysburg kam es einige Jahre vor Tschernobyl zu einem beinahe ebenso folgenschweren Unfall. Dort hatte sich eine sehr große Wasserstoffblase, auch bekannt als Knallgas, innerhalb der Betonschutzhülle gesammelt und drohte den gesamten Reaktorraum in die Luft zu sprengen.
Einige Fragen stellen sich angesichts der jetzigen Diskussion den aufmerksamen Beobachter/innen:
1.) Warum soll eine so gefährliche und unwirtschaftliche Technik wieder forciert werden? Die Gefahren sind so groß, dass kein Atomkraftwerk privatwirtschaftlich versichert werden kann, d.h. der Staat, also die Gemeinschaft kommt für die Folgenkosten auf.
2.) Wo bleibt die so oft beschworene Generationengerechtigkeit? Bis heute gibt es kein Endlager für den Atommüll. Aber jetzt schon sind die Hinterlassenschaften der Atomindustrie immens und die Zeiträume unüberschaubar.
Völlig in Vergessenheit scheinen die Ergeignisse des April 1986 geraten zu sein. Am 26.April 1986 kam es im Block 4 des Atomkraftwerkes Tschernobyl zu einer folgenreichen Kernschmelze und einer Explosion. Radioaktives Material wurde weit in die Atmosphäre geschleudert. In den darauf folgenden Tagen und Wochen zog eine radioaktive Wolke über weite Teile Europas. Im Polarkreis, Nordamerika und Japan konnten erhöte Werte gemessen werden. Durch die Explosion und den radioaktiven Fallout wurden insbesondere die Nuklide Iod-131 und Cäsium-137, aber auch Strontium-90 und Plutonium-239 (all dies sind Zerfallsprodukte des Uran-235), in die Umwelt gebracht und weit verbreitet.
Als Folge mussten viele landwirtschaftliche Produkte vernichtet werden. Freilandgemüse wurde untergepflügt, Wild und Waldpilze konnten nicht mehr verzehrt werden und in der Milch konzentrierten sich die Rückstände, die die Kühe mit dem Gras aufgenommen hatten.
Es wurde damals auch in der BRD darüber diskutiert, ob Mütter ihre Kinder weiterhin bedenkenlos stillen könnten. In besonders belasteten Gebieten der BRD wurde die Kuhmilch zu Molkepulver verarbeitet. Noch Jahre später wurden Entsorgungsmöglichkeiten für dieses Molkepulver gesucht und diskutiert.
Viele Menschen empfanden diese Zeit als sehr belastend und waren verunsichert. Mit keinem der menschlichen Sinne konnte man/frau feststellen, ob die Umgebung verseucht war oder nicht. Es gab keine sichtbaren und fühlbaren Anhaltspunkte, welche Lebensmittel noch zu genießen waren oder welche besonders stark verstrahlt waren. Die Welt sah ja so normal aus wie an den Tagen davor und danach. Nur durch die Nachrichten erfuhr man/frau von dem "schleichenden Tod". Aber auch die Nachrichten, insbesondere die Aussagen der Politiker/innen widersprachen sich immer wieder. Die einzelnen Bundesländer gaben teils sich widersprechende Empfehlungen heraus, wie mit den Folgen umzugehen sei. Ganze Lebensbereiche wurden von einem auf den anderen Tag mit anderen Augen gesehen. So wurden u.a. in einigen hessischen Gemeinden die Kinderspielplätze, Sport- und Freizeitanlagen gesperrt um sicher zu gehen, dass die Freiflächen nicht zu stark kontaminiert waren.
Noch heute sind große Landstriche in der Ukraine, Belarus und Russland unbewohnbare Sperrbezirke. 18000 qkm der landwirtschaftlichen Fläche Weissrusslands sind radioaktiv belastet und weitere 2640 qkm können gar nicht mehr bewirtschaftet werden. In weiteren Gebieten muss durch ständige Messungen kontrolliert werden, wie stark die dort angebauten Lebensmittel belastet sind. Z.B. wurden in der Ukraine im Jahr 2000 mehr als einer Million Nahrungsmittelproben untersucht. Dies wird auch noch sehr lange so weitergehen müssen. Beträgt die Halbwertzeit, also die Zeit in der ein radioaktives Teilchen statistisch gesehen die Häfte seiner anfänglichen Strahlung abgegeben haben wird, von Cäsium-137 30 Jahre und von Strontium 29 Jahre. In weiteren 30 Jahren wird dann Cäsium-137 wiederum die Häfte seiner Strahlung abgegeben haben.
Wie sich gezeigt hat, leidet besonderes die arme Landbevölkerung dieser Gebiete unter den Folgen. Sie sind oft wegen fehlender alternativer Einnahmequellen auf den Verzehr der selbst erzeugten und hoch belasteten Lebensmittel angewiesen.
Von der westeuropäischen Atomindustrie wurde damals immer wieder betont, dass ein solcher atomarer GAU (größter anzunehmender Unfall) auf bauartbedingte Mängel zurückzuführen wäre. In den westlichen Leichtwassserreaktoren könne ein solcher Unfall nicht stattfinden. Dieses Argument ist zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, aber auch die westeuropäischen Atomkraftwerke können auf eine sehr lange Liste von Störfällen zurückblicken. In dem nordamerikanischen Atomkraftwerk Three Miles Island bei Harrysburg kam es einige Jahre vor Tschernobyl zu einem beinahe ebenso folgenschweren Unfall. Dort hatte sich eine sehr große Wasserstoffblase, auch bekannt als Knallgas, innerhalb der Betonschutzhülle gesammelt und drohte den gesamten Reaktorraum in die Luft zu sprengen.
Einige Fragen stellen sich angesichts der jetzigen Diskussion den aufmerksamen Beobachter/innen:
1.) Warum soll eine so gefährliche und unwirtschaftliche Technik wieder forciert werden? Die Gefahren sind so groß, dass kein Atomkraftwerk privatwirtschaftlich versichert werden kann, d.h. der Staat, also die Gemeinschaft kommt für die Folgenkosten auf.
2.) Wo bleibt die so oft beschworene Generationengerechtigkeit? Bis heute gibt es kein Endlager für den Atommüll. Aber jetzt schon sind die Hinterlassenschaften der Atomindustrie immens und die Zeiträume unüberschaubar.
Gedankengut - 8. Jan, 18:26